Skip to main content

Die Geburt eines Kindes – ein magischer Moment, der das Leben eines Paares für immer verändert. Es soll der Beginn eines glücklichen Familienlebens sein, doch immer öfter wird von Geburten berichtet, die von Gewalt und Trauma geprägt sind. Von Frauen, die sich nach der Geburt ihres Kindes nur schwer erholen können. Von Frauen, die sich während der Geburt fremdbestimmt und übergriffig behandelt fühlen. Und von Frauen, die in den Wehen liegen und sich unsicher, überfordert und hilflos fühlen.

Michel Odent, ein französischer Arzt und Geburtshelfer, bringt es auf den Punkt: „Wenn wir die Welt verbessern wollen, müssen wir als erstes die Art und Weise des zur Welt Kommens verbessern.“ Eine Frau, die sich dieser Mission verschrieben hat, durfte ich kennenlernen.

In einem gemütlichen Café in Frankfurt öffnet Martina Simm, eine erfahrene Doula, die Tür zu einer verborgenen Welt. Eine Welt, die im Schatten des Alltags pulsiert, geprägt von Mitgefühl und Unterstützung. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Medizin und die Einzigartigkeit eines jedes Menschen sich nicht ausschließen, sondern Hand in Hand gehen. Eine empathische Behandlung, die fachliches Wissen komplementiert. In dieser Welt leben Frauen wie Martina, die sich dem uralten Beruf der Doula verschrieben haben.

Martina lädt mich ein, in ihrer Welt zu entdecken, wie Geburten zu persönlichen und intimen Momenten werden. Sie strahlt eine warme Ruhe aus, ihr sanftes Lächeln bringt ihre Augen zum Leuchten. Sie erzählt mir ihre Geschichte, wie sie zur Arbeit als Doula kam. Ihre eigene Erfahrung als Mutter weckte in ihr das Bedürfnis, anderen Frauen in dieser entscheidenden Lebensphase beizustehen. „Es war ein natürlicher Übergang“, sagt sie, und rührt in ihrem Tee. „Ich wollte Frauen stärken, damit sie sich während der Geburt sicher fühlen.“

Martina sieht ihre Rolle als Doula weit über einen Beruf hinaus. Sie versteht tiefgreifend die Bedürfnisse von Frauen während Schwangerschaft, Geburt und den darauffolgenden Wochen. „Doula“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Dienerin der Frau“. Die Geschichte der Doulas reicht weit zurück, in Zeiten, in denen Frauen sich gegenseitig bei der Geburt unterstützten und ihr Wissen von Generation zu Generation weitergaben. Er ist einer der ältesten Frauenberufe, so alt wie die Menschheit selbst. Denn seitdem es Menschen gibt, gibt es Geburten, Gebärende, heilkundige Frauen, die die Geburt mit medizinischem Wissen begleiten und Vertraute der Gebärenden, die ihr während der Geburt Beistand leisten. Bereits in der Antike war es üblich, dass eine schwangere Frau während der Geburt nicht alleine war. Es war selbstverständlich, gemeinsam den Übergang in eine neue soziale Identität zu begleiten, generationenaltes Wissen auszutauschen und auf die Erfahrungen von anderen Müttern zurückzugreifen. „Die Mutter zu bemuttern“ war eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hoher Relevanz. Mit der Medikalisierung, der Zeit der Aufklärung und der Auslagerung der Geburt in die Klinik im 20. Jahrhundert verschwand die Doula mit ihren Bräuchen und Ritualen nach und nach aus dem Gesamtbild einer Geburt. 

Heute ist eine Doula eine nicht-medizinische Begleiterin, die werdende Mütter emotional, körperlich und geistig unterstützt. Sie ist eine Hebamme für die Seele. Die Rolle der Doulas in der modernen Geburtshilfe nimmt stetig zu. Statistiken belegen, dass Frauen, die von Doulas begleitet werden, tendenziell kürzere Geburten erleben, seltener Schmerzmittel benötigen und häufiger eine positive Geburtserfahrung haben .

Als Doula habe ich das Privileg, bei diesen magischen Momenten dabei zu sein und das Glück der Familie zu teilen.

Martina betont, dass eine Doula nicht die Hebamme ersetzt, sondern sie ergänzt. Während Hebammen sich auf medizinische Aspekte konzentrieren, kümmern sich Doulas um den emotionalen Beistand. Sie steht der Mutter und ihrem Partner zur Seite, unterstützt, ermutigt und hört zu.

In ihrer täglichen Arbeit begleitet Martina Frauen aus allen Lebenslagen. Jede Geburt ist einzigartig und bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich, erklärt sie. Als Doula ist es ihre Aufgabe, sich auf die individuellen Bedürfnisse jeder Frau einzustellen und sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Auf das eigene Bauchgefühl zu hören und für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, rückt in den Fokus einer Doula-begleiteten Geburt.

Die Bedeutung ihrer Rolle wird besonders deutlich, wenn Martina von den emotionalen Momenten erzählt, die sie bei Geburten erlebt hat. „Es gibt nichts, was mit dem Moment vergleichbar ist, in dem eine Frau ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hält“, sagt sie mit glänzenden Augen. „Als Doula habe ich das Privileg, bei diesen magischen Momenten dabei zu sein und das Glück der Familie zu teilen.“

Martinas Geschichten sind bewegend. Sie spricht von Frauen, die alleine sind, ohne Partner oder Familie, wenn sie ihr Kind zur Welt bringen. Frauen, die mit Angst und Unsicherheit ringen, während sie den Geburtsprozess durchlaufen. Doch Martina ist da. Sie gibt ihnen Halt, hält ihre Hand und begleitet sie durch diese Herausforderung.

Manchmal ist es schwierig.

Die Arbeit als Doula ist erfüllend, aber auch herausfordernd. „Es ist nicht immer einfach, die Bedürfnisse der Frauen zu erfüllen“, gibt Martina zu. „Aber letztendlich geht es darum, präsent zu sein, zu unterstützen und den Frauen zu helfen, sich stark und selbstbestimmt zu fühlen.“ Trotz der Herausforderungen ist Martina überzeugt, dass Doulas in der Geburtshilfe immer wichtiger werden. In einer Welt, die oft von Technologie und Routine dominiert wird, bieten Doulas eine menschliche Note, die nicht ersetzt werden kann. „Manchmal ist es schwierig“, gesteht sie. „Aber wenn ich die Liebe in den Augen einer Frau sehe, die ihr Baby zum ersten Mal im Arm hält, weiß ich, dass meine Arbeit Sinn hat.“

Martina spricht auch von den Vorurteilen und Missverständnissen, die oft mit dem Beruf der Doula einhergehen. Viele Menschen wissen nicht, was eine Doula ist oder was sie tut. Sie werden oft mit Hebammen verwechselt, obwohl ihre Rollen und Aufgaben ganz unterschiedlich sind.

Als ich mich von Martina verabschiede, bleibt das Bild einer starken, einfühlsamen Frau in meinem Gedächtnis, die ihre Berufung lebt und die Welt der Geburten mit Liebe und Hingabe bereichert. Durch ihre Arbeit zeigen Doulas wie Martina Simm, dass Geburtshilfe mehr ist als nur medizinische Versorgung – es ist eine Frage des Herzens und der Menschlichkeit.

Wie finde ich eine Doula?

Ganz einfach über den Verein Doulas in Deutschland e.V..  Hier kann man über die Eingabe der Stadt oder die Postleitzahl alle Doulas in der Nähe finden. 

Doulas in Deutschland e.V. wurde im April 2008 von Melanie Schöne während ihrer ersten Doula-Ausbildung ins Leben gerufen. Neben einer landesweiten Anlaufstelle für Doulas besteht sein Hauptziel darin, schwangere Frauen mit begrenzten finanziellen Ressourcen zu unterstützen. Zudem engagiert er sich in der Öffentlichkeitsarbeit bei Fachkongressen durch eigene Informationsstände und führt eine jährliche statistische Auswertung der Geburtsbegleitung aller aktiven Mitglieder durch, um deren Effekte zu dokumentieren. Des Weiteren ist eine Zertifizierung für alle aktiven Mitglieder (Doula-Geburtsbegleiterinnen) vorgesehen. Dadurch werden transparente und einheitliche Richtlinien geschaffen. Alle Doulas können sich durch Fortbildungen weiterentwickeln und treffen sich regelmäßig zu in verschiedenen Regionen Deutschlands, um über konkrete Geburten zu sprechen und Informationen auszutauschen. Darüber hinaus unterhält Doulas in Deutschland e.V. nationale und internationale Kontakte zu Organisationen und Verbänden, die sich mit Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft befassen

Wie viel kostet eine Doula?

Da eine Doula nicht Teil des deutschen Gesundheitssystems ist und somit nicht von der Krankenkasse bezahlt wird, kann sie ihre Preise selbständig und ohne Vorgaben festlegen. Allein der offizielle Ethik-Code für Doulas verlangt faire, begründbare und angemessene Gebühren, die im Einklang mit der erbrachten Leistung und den finanziellen Fähigkeiten der Klientinnen stehen. Viele Doulas bieten „Geburtsbegleitungspakete“ mit drei bis vier Treffen in der Schwangerschaft, 24 Tagen Rufbereitschaft rund um den errechneten Geburtstermin und ein bis zwei Besuchen nach der Geburt an. Die Kosten belaufen sich häufig auf ungefähr 1000€. Verschiedene Zusatzleistungen, wie beispielsweise spezielle Massagen oder Bonding-Rituale, kosten extra. Der Verein Doulas in Deutschland e.V. bietet auch ehrenamtliche Betreuungen für einkommensschwache oder alleinerziehende Frauen an, um jeder Frau eine natürliche und selbstbestimmte Geburt zu ermöglichen. Trotzdem ist  die Begleitung einer Doula weiterhin ein Privatvergnügen und für viele Frauen, Paare und Familien nicht bezahlbar. 

Quellen:
Klaus, Marshall; Kennell. John; Klaus, Phyllis (1995). Der neue Weg der Geburtsbegleitung. München.
John H. Kennell, (2007). Kontinuierliche Unterstützung während der Geburt: Einflüsse auf Wehen, Entbindung und Mutter-Kind-Interaktion; in: Karl Heinz Brisch/Theodor Hellbrügge (Hrsg.); Die Anfänge der Eltern-Kind-Bindung. Stuttgart.
Odent, Michel (2021). Es ist nicht egal, wie wir geboren werden. Risiko Kaiserschnitt. Frankfurt a.M.
Doulas in Deutschland e.V.

Finia Zoé Dienst

Finia Zoé Dienst

Finia Zoé Dienst studiert Kulturanthropologie und Linguistik in Mainz. Sie schreibt am liebsten über Menschen und ihre Geschichten und beschäftigt sich mit gesellschaftspolitischen und philosophischen Fragen. Wichtig ist ihr auch die Aufklärung über CatCalling, wofür sie sich aktiv einsetzt.

Pin It on Pinterest

Share This